Quantcast
Channel: Kommentare zu: Roman Polanski
Viewing all articles
Browse latest Browse all 16

Von: Angelika Oetken

0
0

Hallo Hubert,

Strafverfolgung dient der Wiedergutmachung und Abschreckung.

Insofern finde ich es wichtig, sich intensiv mit Tätern und Taten auseinanderzusetzen.

Die „Sachverhalte von Tätern“ werden mir eigentlich immer unklarer, je länger und intensiver ich mich mit Sexualstraftaten auseinandersetze.

Im Moment bin ich eher der Ansicht, dass sexuelle Übergriffigkeit tief in unseren sexuellen Verhaltensweisen und Übereinkünften (die ja v.a. von Unkenntnis, Scham, Mythen und archaischen Ritualen bestimmt sind) verwurzelt sind.

Oder einfacher ausgedrückt „Sex ist eine der letzten Bastionen von Dummheit, Primitivität und Gewalt“.

Das macht den Umgang damit ja so schwierig.

„Opfer“ von Straftaten finden leider in unserer Gesellschaft wenig Unterstützung, da bin ich vollkommen Deiner Ansicht. Insofern finde ich diese Website hier um so wichtiger.

Mir kam letztens ein Gedanke :

Das SGBIX regelt, wann jemand als behindert gilt und welche Unterstützung ihm dann zustehen.
Das SGBIX sieht folgende Arten von Behinderungen vor :
geistige, körperliche, psychische.

Die Folgen sexuellen Missbrauchs finden sich allerdings meist auf allen drei dieser Ebenen wieder.
Z.B. als Konzentrationsstörung, Schmerz und Anspannung und Depression.
Sie lassen sich eben nicht eindeutig einer Behinderungsart zuordnen.

Insofern könnte man auch noch „sexuelle Behinderung“ als vierte Art von Behinderung definieren. Zumal ja auch viele Menschen davon betroffen sind.

Das SGB IX orientiert sich an der ICF (Internationale Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit).

Die sexuelle Funktion findet sich da unter „b640″ und wird wie folgt beschrieben :

„Mentale und physische Funktionen, die mit dem Geschlechtsakt einschließlich der Stadien der Erregung, des Vorspiels, des Orgasmus und der Entspannung im Zusammenhang stehen“.

So – und ich persönlich kenne keinen von sexuellem Missbrauch Betroffenen, der in diesem Bereich nicht massive Probleme hätte, bzw. gehabt hätte.

Nun spinne ich mal ein bisschen : Wie wäre es, wenn man versucht, die „sexuelle Behinderung“ ins SGB IX aufnehmen zu lassen?

Der Staat (also wir alle als Gemeinschaft) wäre dann verpflichtet, für die „Rehabilitation und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen“ aufzukommen. Also für uns Betroffenene!

Nun ist es nicht so, dass „der Staat“ bzw. die privilegierten und begüterten Menschen in unserer Gesellschaft bei dieser Idee „Hurra, na klar ich helfe gern“ schreien würden, aber wenn gesellschaftliche Prozesse und Übereinkünfte gesetzlich verankert werden, setzt das Zeichen und fördert langfristig ein Umdenken.

Man müsste nämlich dann gesellschaftlich/politisch entscheiden, ob „sexuelle Behinderung“ anerkannt wird in den Gesetzen des SGBIX, oder ob „sexuelle Funktionsstörungen“ als normal angesehen werden, da ja übergriffige Sexualität ebenfalls als normal betrachtet werden muss.

Oder einfacher ausgedrückt, es müsste entschieden werden, ob es als unnormal oder normal, inakzeptabel oder akzeptabel angesehen werden soll, dass mind. 10 % der Mädchen und mind. 5 % der Jungen vor dem 14. Geburtstag penetrierenden Sex erdulden mussten. Und damit eindeutig nach dem Gesetz als „sexuell missbraucht“ gilt.

Und eine noch viel größere Gruppe fremdbestimmte sexuelle Handlungen ertragen mussten oder entsprechend bedrängt und beschämt wurden. Auch diese Menschen leiden unter ihren Erlebnissen, aber nach dem Gesetz ist es schwieriger ihre Erlebnisse als „sexuellen Missbrauch“ anerkannt zu bekommen.

Das Ganze wäre dann eine perfide, aber sehr grundsätzliche Entscheidung.

Es würde vor allem eine öffentliche, weitreichende Auseinandersetzung mit der Realität befördern.

Herzliche Grüße von
Angelika Oetken, Berlin


Viewing all articles
Browse latest Browse all 16

Latest Images

Trending Articles





Latest Images